Stadtentwicklung ist Diskurs <> Ohne Diskurs keine Stadtentwicklung

Karl Michael Drohsel

Kernaufgabe von Stadtentwicklung ist es, Interessen und Themen zu ermitteln, menschliche Bedürfnisse ernst zu nehmen, abzuwägen, Vorschläge zu generieren, vielfältige Gruppen zu beteiligen und am Ende eine Strategie für die zukünftige Entwicklung festzulegen. Das fällt nicht immer leicht, auch den Gestaltenden und Planenden nicht, da sich oftmals sehr konkrete Interessen gegenüberstehen, die auf beiden Seiten mit starken Mitteln vertreten und bisweilen durchgesetzt werden. 

Für eine Stadtentwicklung, die die aufkommenden Probleme und deren Spannungsfelder im Blick hat, braucht es Ideen, Akteur*innen und Partner*innen aus allen Bereichen des urbanen Lebens der Stadt. Elementar ist es daher, einen Diskurs über diese Fragen zu initiieren und hierüber neue Fragen, Antworten und Lösungsansätze zu finden. Der Diskurs sollte alle einschließen, darf nicht ausgrenzen, aber auch niemandem eine überproportionale Deutungshoheit überlassen. Dafür braucht es Mittler*innen, aber auch dringend Orte und Räume, in bzw. an denen ein solcher Austausch geführt werden kann. Und es braucht Medien, über die sowohl ein erweiterter Diskurs als auch die Vermittlung von Hintergründen und Ergebnissen möglich ist. Der Austausch muss m. E. zwingend schon in der Ausbildung zukünftiger Gestalter*innen und Entscheider*innen eine wichtige Rolle einnehmen und unbedingt an Hochschulen verortet werden.

Ich verstehe ein Magazin wie die PLANIK, welches vom Projektrat des ISR an der TU Berlin bislang herausgegeben wurde, als ebensolchen Diskursraum, der lebendig wurde durch die vielfachen und vielfältigen Beiträge sowohl von Studierenden, als auch Alumi*a, dem Lehrpersonal und Gästen. Ein eindrucksvolles Beispiel der vielfältigen Perspektiven lässt sich anhand der letzten Ausgabe (83) bestaunen.

Nun soll also Abschied gefeiert werden und ich frage mich, seit ich davon Kenntnis habe, was der Abschied für mich bedeutet. Nun, obwohl ich ein sehr politischer Mensch bin, war ich nie wirklich aktiv im studentischen Leben der TU Berlin und nie wirklich engagiert in den politischen Gremien. Zu viele ökonomische Zwänge als „Spätstudierender“, der schon während des Studiums ein Büro gründete und zur Selbstständigkeit, neben schwerer Krankheit und einem einkommenssichernden Angestellten-Job, keine weitere Verpflichtung eingehen konnte, schränkten mich ein. Doch verfolgte ich die PlaWI- und Planik-Aktivitäten stets und freute mich, über Auseinandersetzungen zu Themen, die auch mich triggern: die Weiterentwicklung unserer Disziplin, deren Methoden und Haltungen gegenüber “unserem” Gegenstand – der Stadt mit allem was sie zu einem gesunden, gerechten, lebenswerten Raum macht.

Allerdings, und das werfe ich uns allen vor, stellten wir uns, in aller Unterschiedlichkeit und mit allen besten Absichten, m. E. nie die Frage nach der Relevanz unseres Denkens und Handelns. Wir dachten nie darüber nach, wie wir mit unseren Ideen, Angeboten und Formaten (wozu auch ein Magazin wie die Planik gehört) den Anschluss an die Realität, die sich teilweise in unfassbarem Tempo entwickelt und verändert, aktuell und relevant bleiben können.

Aktuell begegnet mir an vielen Stellen, dass wir uns von tradierten Denkmodellen, Vorstellungen und auch Diskursräumen verabschieden müssen. Hiermit meine ich nicht nur lokale, sondern auch immaterielle Räume (wie z.B. digitale oder spezifische Gruppen und Netzwerke). Die Frage nach der Relevanz unserer, auch und speziell meiner Arbeit, stellt sich jeden Tag neu.

Ich sehe das jedoch nicht als ein Ende von etwas oder bewerte das Verabschieden als negativ, sondern begrüße das tägliche Hinterfragen, denn es fordert heraus, was in meiner Ausbildung nie explizit thematisiert wurde (am ehesten noch in der Denkmalpflege in Persona der großartigen Lehrerin Gabi Dolff-Bonekämper): Die Haltung. Also die Haltung der Studierenden und Praktizierenden gegenüber ihrem Gegenstand und ihrer Aufgabe, die ja in unserem Fall zwingend eine gesamtgesellschaftliche sein muss.

Insofern habe ich schon vor Jahren den Wandel des Studiengangs von einem (ingenieurs)technischen Studiengang in einen Studiengang, der die sozialen Komponenten wenn nicht gleichsetzt, so doch in Wert setzt, sehr begrüßt, da ich schon immer der Überzeugung war, dass soziale Probleme (die nun wirklich für niemand mehr übersehbar sind) nicht mit technischen Lösungen beantwortet werden können. Also ein dreifaches „Hurra!“ auf das Ende der Technokratie! Wir reflektierten die Veränderung der Disziplin jedoch nicht umfassend und passten die Werkzeuge nicht ausreichend an, was ja vor allem in Top-Down-Planungsprozessen deutlich sichtbar wird. Schlicht, wir verpassten es, uns und unser Handeln zu politisieren und auf der Ebene der Disziplinen noch mehr (auch räumlich) zusammenzuführen statt zu separieren (was der Artikel „Techniker // Künstler: Wie ein Zaun zwei Universitäten auf einem Campus trennt“ der Autorin Daria Kariakina in der Ausgabe 83 wunderbar illustriert).

Was hat alles das nun mit der Planik und dem nahenden Abschied zu tun? Ich bin der Meinung, dass die Planik, bei allem Respekt vor der Leistung der Menschen dahinter und den Inhalten, kein wirklich politisches Magazin mehr ist und somit den generellen Zeitgeist widerspiegelt. Sicher, an manchen Stellen bricht das gerade auf, was sehr gut ist, doch ob daraus eine Bewegung entspringen wird, ist fraglich.

Der Zeitgeist, so nehme ich es wahr, beinhaltet eine Verlagerung des Engagements, die sich weg vom Öffentlichen, Gesamtgesellschaftlichen, ins Private bewegt. Das ist auch auf Demonstrationen sichtbar, auf denen wenig echte Gemeinschaft, dafür aber viel gemeinsam Privates stattfindet und auch keine echte Gesellschaft, sondern nur gesellschaftlich anmutendes Privatisieren sichtbar wird. Die Tendenzen der Verlagerung betreffen am Ende auch die Medien, die auf Gesellschaft gerichtet sind und von gesellschaftlichem Engagement leben.

Wie gesagt, ich sehe die Prozesse kritisch und verstehe meine Aufgabe deshalb, in all den Rollen die ich in meinem Alltagsleben innehabe, als eine vermittelnde, zusammenführende, weiterentwickelnde, und finde einen Abschied insofern nicht so dramatisch. Es ist letztlich ein Gesetz der Natur, dass was vergeht und daraus etwas entsteht.

In diesem Sinne sende ich meinen Dank an alle, die den Diskursraum Planik und den Diskursort PlaWi erkämpften, einrichteten, verteidigten und begleiteten und richte an alle, die die Vision einer besseren Zukunft in ihren Herzen haben den Wunsch, niemals aufzugeben.

Wien im Februar 2023